Abstract
Auf dem Theater wie im Leben ist Shakespeare für nicht wenige deutsche Literaten und Philosophen um 1800 „Der Mensch! Die Welt! Alles!“ (Gerstenberg) Dabei schlugen seine Dramen als verspäteter Import auf deutschen Bühnen zunächst keineswegs wie eine Initialzündung ein, wurden sie doch von Wandertruppen erst lange anonym verballhornt. In Wielands Übersetzungen eroberte Shakespeare zunächst die Bretter deutscher Bühnenregale. Doch erst durch Bearbeitungen mit Musik von jener Tragweite, wie sie von ihm selbst angelegt worden ist, erstürmt Shakespeare die Bretter, die die Welt bedeuten: „Theater, Kouliße, Komödiant, Nachahmung ist verschwunden.“ (Herder)
Herder, Goethe, Lenz und Schiller empfanden Shakespeares Stücke wie eine Befreiung aus aristotelischem Maßregelvollzug. Für Komponisten wie André, Benda, Reichardt oder Seyfried bedeutete die Aufgabe, einen Shakespeare bühnenwirksam zum Klingen zu bringen, einen Freibrief zum Experimentieren, wie sie ihn von einem Opernlibrettisten kaum ausgestellt bekamen. Der Autor zeigt erstmals systematisch, wie die ästehtische Rezeption und dramaturgische Verarbeitung des Phänomens Shakespeare die Schauspielmusik in ihrer Blütezeit zu einem integralen Medium theatralischer Illusionsbildung werden ließ und auch der Musik an sich neue Stilmittel erschloß.