Clemens Fanselau

Mehrstimmigkeit in J. S. Bachs Werken für Melodieinstrumente ohne Begleitung

ISBN 978-3-89564-062-9

Einleitung. Bachs Soloschaffen als Problem der Forschung

1. Besetzungstypus und Werkcorpus

2. Probleme der Analyse

3. Vorgehen

I. Teil: Historische Voraussetzungen: Bach und die Traditionen solistischer Kammermusik

A. Ursprünge des Musizierens ohne Begleitung: Improvisation und Komposition

1. Lireggieren und Diminuieren; 2. Polyphone Spieltraditionen im deutschsprachigen Raum; 3. Präludieren und Kadenzspiel

B. Werkgebundene Entwicklung bis zur Zeit Bachs

1. Soli für Baßinstrumente; 2. Werke für Diskantinstrumente; 3. Solowerke in Mitteldeutschland; 4. Galante und virtuose Fortentwicklung; 5. Übersicht: Entwicklung des Solotypus bis 1750

C. Bachs kammermusikalische Einfluß-Sphäre

1. Frühe Anregungen (Eisenach und Ohrdruf); 2. Norddeutsch-hanseatische Einflüsse;3. Das Umfeld in Weimar und Köthen

II. Teil: Latente Mehrstimmigkeit

A. Historischer Teil - Stationen der Theoriebildung

1. Paradigma Produktion

1.1 Sortisatio - Spieltechnischer Ausgangspunkt; 1.2 Figuratio - Latente Stimmführung in Manieren; 1.3 Compositio - Cantus fractus-Lehre; 2. Paradigma Perzeption

2.1 Metaphysische Anschauung: Energetik bei Ernst Kurth; 2.2 Gestaltpsychologische Einsicht: "Scheinstimmen" als Wahrnehmungsrealität; 2.3 Hörpsychologische Perspektive: Die Wahrnehmung musikalischer Ströme

B. Systematischer Teil - Satztechnische Verfahren

1. Klang- und Stimmspaltung

1.1 Gebrochene Akkorde; Gebrochene Akkorde in stetiger Verlaufsrichtung; Brechungen mit V-förmigem Umriß; Oszillierende und fluktuierende Akkordbrechung; 1.2 Arpeggien - Fragen ihrer Notation und Interpretation; 1.3 Brechung mit akkordfremden Tönen; 1.4 Orgelpunkt- und Liegetonwirkungen; 1.5 Pendelbewegungen; 1.6 Häufung verminderter und übermäßiger Intervalle; 1.7 Sequenzen als Mittel der Stimmspaltung; Sequenzen mit Registerwechsel; Sequenzen gebrochener Akkorde;

2. Resultatstimmen

2.1 Entstehung assoziativer Linien; Steigerung melodischer Komplexität bis zur Verselbständigung von Linien; Abweichung von melodischen Satzregeln; Linienkohärenz; Präsenzhören und Fernhören; 2.2 Liniengestalten; 2. 3 Inhärenter Dialog; 2.4 Rhythmische Figuren und motivische Bildungen; 2.5 Klangraum- und Klangfarbwirkungen; 2.6 Außen- und Füllstimmen; 2.7 Latente Drei- und Vierstimmigkeit; 2.8 Ein- und Ausblenden von Resultatstimmen

3. Harmonische Implikationen

3. 1 Leittonspannung; Harmonische und lineare Spannungswirkung des Leittons, Absprungklausel; 3. 2 Vorhaltbildung; 3.3 Kadenz und Modulation, Kadenzwendungen, Halb- und Trugschluß, Abweichungen von den gängigen Satzregeln, Modulation; 3.4 Harmonischer Rhythmus

III. Teil: Manifeste Mehrstimmigkeit

A. Simultane Zweistimmigkeit

1. Gleichzeitigkeit zweier Linien

Homorhythmie, Heterorhythmie, Bewegte versus ruhende Stimme

2. Doppelgriffe mit Verzierungen

3. Zusätzliche, latente Stimmen in der Zweistimmigkeit

B. Akkordischer Satz

1. Instrumental- und grifftechnische Voraussetzungen des Akkordspiels

Strecktechnik; Rundung des Stegs; Traditionelle Brechung und arpeggierende Ausführung von Akkorden; Kinnhaltung und Lagenspiel; Besaitung und Raumakustik

2. Satztechnische Grundlagen der akkordischen Drei- und Vierstimmigkeit

Dreistimmigkeit: Vorhaltbildungen, Akkorde mit Verzierungen; Vierstimmigkeit: Daumengriff - Dissonanzspannung; Fünf Saiten - fünf Stimmen?

3. Instrumentenspezifisch legitimierte Verstöße gegen Satzregeln

C. Historisierende und aktualisierende Interpretation. Der "Bach-Bogen"

1. Spezialtechniken des Akkordspiels mit konventionellem Bogen

Das Rückschlagen des Bogens; Doppelte Brechung; Spezielle Techniken des simultanen Akkordspiels

2. "Bach-Bögen" für Violine und Violoncello

Theorie und Praxis der Neukonstruktion; Aktualisierung ohne Illusion; "Bach-Bogen" für das Violoncello

D. Selbständigkeit der Stimmen

1. Akkordsatz und Paralinearität

2. Homophonie

3. Obligater Stimmensatz und Freistimmigkeit

4 Fugensatz

Themendurchführungen und andere streng imitative Abschnitte (Dux und Comes, Thema und Kontrasubjekt; Stimmtausch; Engführung, Umkehrung, Krebs); Homophon-akkordische Abschnitte, Kadenzen; Orgelpunkt

E. Aufeinandertreffen divergenter Techniken

1. Knotenpunkte. Steigerung durch Linienmehrung

Umschlagpunkte; Steigerung durch Linienmehrung; Abschwellen durch Linienfusion

2. Sukzession und Simultaneität

3. Einbettung zusätzlicher, latenter Stimmen im akkordischen Satz

4. Erscheinungen des Stylus phantasticus im Satz für Melodieinstrumente

Einstimmige Linien mit gelegentlichen, stützenden Akkorden; Integration chromatischer Linien in den Satz

IV. Teil: Stilgeschichtliche Einordnung der Werke

A. Äußere Indizien zur zeitlichen Einordnung

1. Quellenkundliche Indizien für eine frühe Entstehung

b und # als Auflösungszeichen; Vom Autograph unabhängige Manuskripte; Chronologische Rückschlüsse; Versuch einer Systematik

2. Weitere in der Neuen Bach-Ausgabe unberücksichtigte Quellenbefunde

Wenig beachtete Quellen; Gänzlich unberücksichtigte Manuskripte; Zur Quelle P (Violinsoli und Flötenpartita)

3. Mögliche Anreger und Adressaten

Melodieinstrumente in der Familie Bach; weitere frühe Einflüsse; mögliche Adressaten

B. Zur Stilkritik und Chronologie

1. Allgemeine Chronologiekriterien: Melodik, Form, Zyklusbildung

Wenig beachtete Quellen; Gänzlich unberücksichtigte Melodik; Form; Zyklusbildung; Flötenspezifische Datierungskriterien

2. Stilkriterien des mehrstimmigen Satzes. Wandel in Bachs Satztechnik

Kadenzformeln; Rahmenparallelen; Harmonik und Figuration; Kombination von Klangspaltungstechniken

3. Die Solowerke im Kontext der Stilentwicklung Bachs

Bachs Stilentwicklung zwischen der zweiten Weimarer und der frühen Leipziger Zeit; Hypothetische Chronologie

C. Probleme des Besetzungstypus und seiner Tradition

1. Ergänzungsbedürftigkeit oder Selbstbeschränkung?

Vermeintliche Baßschwäche und Mangel an harmonischer Stütze; Hinzugefügte Begleitung

2. Fragen der Instrumentenidiomatik

Violin- und Orgelstil; "Konjekturale Rekonstruktion"; Stimmführungsanalyse als Bearbeitung; Violin- und Flötenstil

3. Bündelung der Traditionsstränge

Bachs Solotypus als Kristallisationspunkt; Prätention polyphoner Durchdringung an der Stilwende

Anhang

Abkürzungen und Siglen

Literatur

1. Notenausgaben

2. Bibliographie zu den Werken BWV 1001-1013

3. Allgemeine Literatur

Personenregister

Faksimiles

1. Johann Schop d. Ä.: Beginn des Præludium für Violine ohne Begleitung

2. Francesco Scipriani: Toccata Duodecima

3. Johann Georg Neidhardt: Compositio harmonica